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15.04.2020 Tagesimpuls

Maria Magdalena

Schrift Maria Magdalena Die Liebende

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Tagesimpuls für Ostermittwoch, den 15.04.2020

 

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Leserinnen und Leser dieses Impulses.

„Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht.  Aufstehen will ich, die Stadt durchstreifen, die Gassen und Plätze, ihn suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Mich fanden die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt? Kaum war ich an ihnen vorüber, fand ich ihn, den meine Seele liebt. Ich packte ihn, ließ ihn nicht mehr los.“ heißt es im Hohelied der Liebe (3,1-4a).

An diesen Text werde ich erinnert, wenn ich im Johannesevangelium von Maria von Magdala lese, die morgens früh, als es noch dunkel war, sich auf den Weg zum Grab Jesu macht. Was bewegt Maria? Ist es der Schmerz über den Tod Jesu, die Sehnsucht danach, dort zu sein, wo der ist, den sie liebt? Wie groß muss der Schreck gewesen sein, das geöffnete und leere Grab zu finden. Ihre Worte an Petrus, und die Jünger, zu denen sie im Dunklen läuft, bringen es zu Ausdruck: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ (Joh. 20,2c) Zwei weitere Male wird sie diesen Satz sprechen: Im Grab zu den Engeln (Vers 13) und ähnlich zu dem vermeintlichen Gärtner (Vers 15).

Er ist weg, den ich liebe, weggetragen, vielleicht gestohlen (warum)? Wo ist er? Ach könnte ich ihn doch holen, dann wäre er wieder bei mir, und ich bei ihm! Wo ist er nur?

Die Augen voller Tränen, alles in ihr voller Schmerz, und jetzt ist der Schmerz noch größer: nicht nur tot ist er, nein, auch noch weg, weggenommen, fortgetragen! Versteht ihr nicht meinen Schmerz? Dass er tot ist, das hat sie vielleicht akzeptiert, aber jetzt auch weg, das macht den Schmerz nur noch größer. Wo soll sie denn jetzt um ihn trauern?

Die beiden Jünger kehren nach dem „Besuch“ am leeren Grab nach Hause zurück. Johannes kann sogar glauben, als er die Leinenbinden und das Schweißtuch zusammengebunden an einem besonderen Ort im Grab liegen sieht. (Joh 20,10). Was er glaubt? Es bleibt offen im Johannesevangelium. Hat er schon verstanden, was Jesus zu Lebzeiten mehrfach angekündigt hatte: Er werde leiden, sterben, aber am dritten Tag auferstehen.  

Maria von Magdala aber kann nicht glauben. Nicht die Begegnung mit den Engeln nimmt den Schmerz. Erstaunlich, dass sie die Engel nicht erschrecken, ihr nicht Trost geben können. „Wo ist er? Wohin habt ihr ihn gelegt?“ Und auch die Begegnung mit dem vermeintlichen Gärtner ändert nichts: „Wohin hast du ihn gelegt? Ich will gehen und ihn holen!“

Wie sehr ist sie in ihrem Schmerz gehalten, gebunden in den alten Vorstellungen von Leben und Tod, von der Weise, wie der Geliebte sein muss, von dem Bild, dass sie in sich hat!

„Maria!“ Mehr braucht der Fremde nicht zu sagen. Aber im Klang ihres Namens, wie er ihn ausspricht, erkennt sie Jesus! So hat nur er sie bei ihrem Namen genannt! Da steht er vor ihr, den sie gesucht hat, den sie liebt. Sie will ihn umarmen, festhalten. Aller Schmerz ist weg, da ist er, den sie so verzweifelt gesucht hat. Da, vor ihr.

Aber umarmen, festhalten darf sie ihn nicht. „Halte mich nicht fest! Denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ (Joh 20, 17), sagt er zu ihr. Aber das scheint jetzt nicht mehr wichtig zu sein, sieht sie ihn doch vor sich stehen, nicht tot, sondern lebendig. Und er spricht wieder so wie früher von seinem Vater und unserem Vater, von seinem Gott und unserem Gott, von wo er einst kam und wohin er zurückkehren will, und mit dem er doch eins ist.

Ob sie schon alles verstanden hat? Ob sie schon glauben kann? Es wird nicht überliefert. Aber überliefert wird, dass sie zu den Jüngern geht und ihnen verkündet, was er ihr aufgetragen hat. Und sie wird es nicht mit tränenerfülltem Blick getan haben. Ich denke, dass sie ein Strahlen umfängt, Freude aus ihrem Gesicht strahlt. Sie wird zur „Apostelin der Apostel“. Zur Botin der Freude

Und wie sehr verändert sich alles für die Jünger, als er am Abend des Tages zu ihnen kommt. Sie freuen sich, als sie den Herrn sahen, so überliefert es uns Johannes (Joh 20,20). 

Was können uns die Gedanken sagen? Wie sehr bin ich gebunden an festen Bildern, Vorstellungen, Hoffnungen, Enttäuschungen? Wie gebunden und nicht wirklich frei bin ich für das Außergewöhnliche, für das Wunder des neuen Lebens, des ganz Neuen, für die Botschaft von Tod und Leben Jesu? Wie sehr prägt seine Liebe mich – und die Sehnsucht einer Maria von Magdala? Kann ihre Sehnsucht mir ein Beispiel sein für meine Sehnsucht nach der Begegnung mit Jesus in meinem Leben? Gewiss: ich bin nicht in der Situation von Maria von Magdala, weiß um die Botschaft von Ostern. Aber könnte sie mich ähnlich wie Maria von Magdala betroffen machen?

Ich wünsche Ihnen etwas von dieser Sehnsucht – und dem Mut, nicht an Bisherigem festzuhalten, sondern neue Begegnungen zu wagen mit einem Gott, der mir vielleicht auch in der Rolle des „Gärtners“, des „Ganz-Anderen“ gegenübersteht und bei meinem Namen ruft.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Ostermittwoch, auch namens der Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus den beiden Seelsorgebereichen in Bornheim und aus Alfter

Ihr Georg Theisen, Pfarrer i.R.