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19.05.2020 Tagesimpuls

Eine Liebeserklärung an den Rhein

 Blick ins Rheintal

Eine Liebeserklärung an den Rhein

„Oh, wie ist es am Rhein so schön“

(A. Bergsattel, ca. 1920)

 

 

 

Eine Liebeserklärung an den Rhein

„Oh, wie ist es am Rhein so schön“, heißt es in einem alten Volkslied. Wer am Rhein aufgewachsen ist, kennt dieses Lied von Kindheit an. Damit verbinde ich die Weinberge, fröhliche Weinfeste und den dazugehörigen Schoppen, die jahrhundertealten Klöster, z. B. Kloster Eberbach, die Schönheit und Romantik der Rheinburgen, Schlösser und Ruinen, wenn ich z. B. an die Burg Rheinfels denke, um deren Gemäuer sich viele abenteuerliche Sagen ranken. Wenn ich an den Rhein denke, fallen wir die Spaziergänge mit meiner Oma am Rhein an. Sie wohnte damals nur wenige Meter entfernt. An die Fahrradtouren am Leinpfad mit meinen Schwestern, unserem Vater, meinen Freunden. An die Störche, die jedes Jahr in meinen Heimatort zurückkommen und dort seit Jahrzehnten einen Schutzraum gefunden haben. An das Glitzern des Flusses im Abendlicht. Ich erinnere mich an das Lichterschwimmen im Nachbarort Eltville, wenn wir anlässlich des Gedenktags des Heiligen Johannes Nepomuks Kerzen auf den Rhein zu Wasser ließen. Wann immer ich einen Nepomuk als Brückenheiligen sehe, muss ich daran denken. Ich erinnere mich an Schulwanderungen in den Weinbergen, auf den Spuren Goethes, der, wie sollte es anders sein, natürlich auch dort war, an den Heimat- und Sachkundeunterricht in der Grundschule und meiner dort geweckten Begeisterung für die Sagenwelt am Rhein. Nie vergessen habe ich, wie der Eiswein entstanden ist, warum der Mäuseturm „Mäuseturm“ heißt und die Loreley ihr Lied singt. Ja, wir haben sogar in der Schule Wein gegärt, als echte Rheingauer-Rheinkinder und an den kleinen Schluck aus dem roten Gummikorken erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Sie merken schon, ich bin wohl keine Rheinländerin, aber mit Blick auf den Rhein geboren. Er gehört zu meinem Leben, zu meiner Geschichte. Er ist mir vertraut, bei ihm fühle ich mich zu Hause.  Auch heute kann ich mich in meinem Wohnort Kardorf auf das Fahrrad schwingen und spontan an den Rhein fahren, mich an das Ufer setzen, den Ausblick genießen, tief durchatmen, die Natur beobachten. Es ist gut zu wissen, dass er nicht weit weg ist. Manchmal nehme ich die Fähre nach Mondorf und genieße diese kleinen Momente der Vertrautheit. Dem Zauber kann ich mich nicht entziehen und den anderen Mitfahrern auf der Fähre geht es genauso. Das ist wie Urlaub, im wahrsten Sinne des Wortes, darf ich mich doch in etwas sehr Vertrautes zurückziehen. Die Luft ist anders und ich verspüre eine Freiheit und bekomme eine Ahnung, was der Rhein oder alle Flüsse mit dem Leben verbindet. Flüsse sind schon immer Anziehungsorte. Der Fluss als Lebensader, als Richtschnur, als Orientierung, als Weg und Lebensquelle für die Menschen, die Tiere, die Flora und Fauna. Sie haben schon viel von meinen Sehnsuchtsorten gehört, der Rhein gehört dazu. Ich gehe noch einmal zurück zu dem alten Volkslied, und versuche auf die Frage, warum es am Rhein so schön ist, eine Antwort zu finden? Geht das überhaupt? Von einem Fluss kann ich für mein Leben lernen. Ist das Leben nicht oft ein langer Fluss? Ich liebe es an einem Fluss zu sitzen, ich kann von ihm lernen, einfach durch das Zuschauen. „Alles fließt“ hat schon der griechische Philosoph Heraklit im 6. vorchristlichen Jahrhundert formuliert, indem er das ganze Sein des Menschen mit einem Fluss vergleicht. Ich beobachte die Vielfalt der Vögel am Wasser, die Störche und Flussreiher, das Schilfgras und die Libellen, die kleinen Boote und winkenden Ruderer, die großen Frachtschiffe, die Fähre. Am Niederrhein kann man sogar Wildpferde beobachten. Der Fluss verbindet, es ist wie Kino. Er ist immer anders, mal stürmisch, aufgewühlt, aufbrausend, überschwappend, raumeinnehmend, dunkel und neblig, mal ruhend und sanft glitzernd. Viele Völker haben in den letzten Jahrtausenden den Rhein geprägt und sich dort in einer Buntheit vermischt, die man bis heute zu spüren scheint. Es ist das, was die Menschen ausmacht. An einem Fluss fühle ich mich jenen, die vor mir gefahren sind, noch näher. Wenn ich auf das Wasser schaue, spiegelt sich etwas von dem zurück, bilde ich mir ein. Bernhard Shaw hat einmal gesagt: „Das Leben ist wie ein Lächeln, wenn du hineinlächelst, lächelt es zurück.“ So kommt es mir vor. Das Leben, ein Fluss, wenn ich hineinlächele, lächelt es zurück und ich fühle mich dem, was mir geschenkt ist noch näher. Ich bin zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Und dabei kommt es nicht auf die Größe des Flusses an, ob groß oder klein, ein Bächlein, ein Rinnsal, eine Quelle. Es geht um meinen inneren Fluss, meine Verbundenheit zu dem, der in mir ist, zu dem, der sagt: „Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt!“ Wie die Schrift sagt: „Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben;“ (Joh 7, 37-39)

Ich weiß sehr genau, dass mein Fluss nicht immer in Weltkulturerbeidylle dahinfließt. Wasser, Flut ist auch gefährlich, Angst einflößend. Wir erinnern uns alle an die Jahrhundertflut, die so vielen Menschen Ihr zu Hause und auch Leben genommen hat. Sprichwörter sagen viel darüber aus. Wenn einem das Wasser bis zu Halse steht, wenn Ereignisse und Dinge in meinem Leben dazu führen sich als Ertrinkender zu fühlen. Das kann so viel sein, Angst vor Einsamkeit, eine Erkrankung, eine alles verändernde Entscheidung, wenn eine Freundschaft zerbricht oder ich mich bedrängt fühle, mich nicht wehren kann, wenn ich selbst einen Fehler gemacht habe. Dann ist das so, als wenn das Wasser über mir zusammenbricht. Und dann sagt Gott: „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei Dir sein.“ (Jesaja 43, 2). Er lässt uns nicht allein, weil er uns liebt und „den Fluten eine Grenze setzt“ (Psalm 104,9).

Das ist uns mit dem nahenden Pfingstfest versprochen: Ströme lebendigen Wassers, die Durst löschen, erfrischen und reinigen, die tragen, die kühlen, weil er uns trägt, die begeistern und lebendig machen. Dann darf ich wieder aufblühen, wachsen, mich strecken, dem Himmel entgegen

Darum ist es am Rhein so schön – eine Liebeserklärung

Storch im Wasser

Seien Sie behütet in allem, was ist. Ihre und Eure Ute Trimpert, Gemeindereferentin

Für die Pastoralteams der Seelsorgebereiche Alfter, Bornheim-Vorgebirge und Bornheim An Rhein und Vorgebirge.